Jeder Hund hat einen individuellen Charakter – und das ist auch gut so! Wie bei uns Menschen gibt es auch bei Hunden mehr oder weniger ängstliche Individuen. Vierbeiner, die jedoch ein übermäßig stark ausgeprägtes Angstverhalten zeigen, haben oft in der Vergangenheit eine schlimme Erfahrung gemacht. Besonders bei Hunden aus dem Tierheim ist das leider oft der Fall. Doch wie erkennst du, ob dein Hund ein Angsthund ist? Welche Anzeichen deuten darauf hin und was ist zu tun, wenn der Hund in Panik verfällt? Wir haben mit der Angsthunde-Expertin Bettina Specht gesprochen und nützliche Informationen gesammelt!

Wieso wird ein Hund ein Angsthund? Welche Auslöser gibt es dafür?

Angst ist ein Geschenk der Evolution, denn Angst zu haben ist ein Urinstinkt. Angst hilft Gefahren zu erkennen und ihnen auszuweichen. Sie hat damit eine sinnvolle Schutzfunktion. Zu einem Problem wird Angst erst dann, wenn sie die Lebensqualität von Hund und Mensch entscheidend beeinträchtigt.

Ist dieses Stadium erreicht, spricht man von Angststörungen. Die Auslöser dafür sind wie beim Menschen unendlich vielfältig. Angst vor Höhe, Knallgeräuschen, Feuer oder Enge kommen beim Hund genauso vor wie beim Menschen. Sie zählen zu den sogenannten Urängsten und sind genetisch verankert. Dann gibt es Ängste, die durch schlechte Erfahrungen ausgelöst wurden. Ein Bienenstich kann Angst vor Bienen auslösen – eine Misshandlung kann Auslöser für die Angst vor Menschen sein. „Den“ Angsthund gibt es also nicht. Meistens erfordert es beim Hund detektivischen Spürsinn, um den Angstauslöser überhaupt zu finden.

Angst hilft Gefahren zu erkennen und ihnen auszuweichen.

Gibt es erkennbare Anzeichen von Angst beim Hund?

Angsthunde zeigen häufig folgende Symptome:

  • Zittern, Speicheln und Hecheln
  • Weit aufgerissene Augen und große Pupillen
  • Der Schwanz ist eingezogen, evtl. bis unter den Bauch eingeklemmt
  • Ohren und Mundwinkel sind nach hinten gerichtet
  • Steife Körperhaltung mit einem Körperschwerpunkt nach hinten
  • Hunde zeigen verstärkt sog. Calming Signals – die Beschwichtigungssignale der Hunde
  • uvm.

Mit der Emotion ‚Angst‘ sind folgende Verhaltensreaktionen verbunden:

  • Erstarren (Freeze)
  • Flüchten (Flight)
  • Kampf (Fight)
  • Herumalbern (Fool around)

Sie sind auch bekannt als die 4 „F“ der Angst. Erstarren, Flüchten und Unterwerfen werden sofort mit einem Angsthund in Verbindung gebracht. Greift er hingegen aus Angst um sein Leben an, wird sehr häufig übertriebenes Aggressions- oder das gern diagnostizierte Dominanzverhalten unterstellt und es werden verheerende Trainingsmaßnahmen ergriffen, um den Angriff zu unterbinden. An der Angst wird nicht gearbeitet. Herumalbern als Verhalten bei Angst wird kaum erkannt. Dabei finden wir dieses Verhalten sehr häufig auch bei Menschen, die Angst haben. Die Unsicherheit wird durch witzige Sprüche überspielt.

4 F der Angst bei Angsthunden

Was soll ich tun, wenn der Hund in Panik verfällt?

Panikstörungen sind plötzliche und wiederkehrende schwere Angstattacken, die sich nicht auf bestimmte Auslöser beschränken und sie dadurch unvorhersehbar machen. Eine Panikattacke beginnt abrupt und dauert durchschnittlich 30 Minuten. In dieser Zeit ist der Hund nicht ansprechbar. Man kann nur „da“ sein und schauen, dass sich der Hund nicht selbst oder andere verletzt. Berührt man einen Hund während einer Panikattacke, kann es sein, dass er den eigenen Besitzer beißt.

Auch hier wieder der Vergleich zum Menschen. Ein ertrinkender Mensch schlägt wild um sich und greift auch den Rettungsschwimmer an. Sicherung des Hundes mit Leine und Brustgeschirr hat hier oberste Priorität. Reißt ein Hund sich in dieser Situation los, kann ein GPS-Tracker lebensrettend sein.

Eine Panikattacke beim Hund beginnt abrupt und dauert durchschnittlich 30 Minuten.

Welche Lösungsansätze gibt es bei akuter Angst?

Einen Zugang zur Angst bekommt man nur, wenn man versteht, was bei Angst überhaupt in Kopf und Körper passiert. Nur wenn man Angst versteht, kann man Trainingsideen entwickeln und diese sind genauso individuell wie die Angst des Hundes. Ein Patentrezept oder die ultimative Methode, die auf Knopfdruck das Problem löst, gibt es nicht. Die Therapie von Angsthunden erfordert Zeit, Kreativität, Geduld und Einfühlungsvermögen.

Im Umgang mit anderen Hunden und Personen empfehlen wir dir, deinem Liebling ein gelbes Halstuch anzulegen.

Was soll ich tun, wenn mein Angsthund davonläuft?

Wusstest du das? Angst ist einer der häufigsten Gründe, warum Hunde entlaufen.

Unabhängig davon, ob es sich bei deinem Liebling um einen Angsthund handelt, für Haustierbesitzer ist das Entlaufen des Hundes immer ein Albtraum. Das kannst du im Ernstfall tun:

  • Informiere die Tierärzte der Umgebung, die Polizei, das nächstgelegene Tierheim und je nach Umgebung die Jägerschaft
  • Verständige die Zentralen Haustierregistern, in denen der Hund gemeldet ist, z.B. Tasso
  • Parke dein Auto mit geöffneter Tür oder Klappe am Ort des Verschwindens
  • Lass deine Haus- oder Gartentür geöffnet, damit der Hund hinein kann, wenn er es nach Hause schafft

Auch ein Posting auf Facebook kann hilfreich sein. Binnen kürzester Zeit kann man sehr viele Menschen erreichen. Hier ist es aber wichtig, dass die Menschen darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie den Angsthund weder ansprechen sollen noch versuchen, ihn einzufangen. Es sollte lediglich der Besitzer über die Sichtung informiert werden, damit eine Vertrauensperson Kontakt zu dem Hund aufnehmen kann. Auch eine „gut gemeinte“ Hetzjagd kann zu einer Katastrophe führen.

Welche vorbeugenden Maßnahmen gibt es gegen das Weglaufen?

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann es passieren, dass ein Angsthund entkommt. Leine, Sicherheitsgeschirr, Abruftraining, Desensibilisierung des Angstobjektes und auch vertrauensbildende Maßnahmen geben keine 100%ige Garantie. Ein GPS-Tracker ist ein Muss für jeden Angsthund. So kann er binnen weniger Stunden sofort gefunden werden.

Ist ein GPS-Tracker sinnvoll?

Ja, absolut. Mit Hilfe des GPS-Trackers kann dein Hund schnellstmöglich geortet und wieder eingefangen werden. Je schneller die Vertrauensperson des Hundes den Hund wiederfindet, desto größer ist die Chance, den Hund problemlos einfangen zu können. Langwierige und nervenaufreibende Suchaktionen können so vermieden werden. Kein Angsthund sollte ohne Tractive unterwegs sein.

Welche Bücher über Angsthunde können empfohlen werden?

  • Angsthunde, Bettina Specht, animal learn Verlag
  • Stress bei Hunden, Clarissa v. Reinhardt und Martina Nagel, animal learn Verlag
  • Calming Signals, Turid Rugaas, animal learn Verlag
  • Perspektivwechsel, Maria Hense und Christina Sondermann, Cadmos Verlag

Weitere Infos zum Thema Angsthund findest du hier: